10.000 Höhenmeter, 100 Kilometer – Eine traumhafte Woche in den Schweizer Bergen
Was ist das für ein Sommer? Starkregen, Hagel, Stürme, immer wieder heftige Gewitter. Gebirgsbäche werden in kürzester Zeit zu reißenden Flüssen, Regenfälle lösen Murenabgänge aus, Schlammlawinen begraben Wege unter sich. „So einen Juli habe ich noch nicht erlebt“, sagt Pascal Schumacher, unser Hüttenpraktikant in der Schweiz. Und der August zeigt sich auch nicht viel verlässlicher. Bis auf die vergangene Woche, die für Pascal so voller Ereignisse war. Eine Woche, die sich einprägt.
16. August, kurz vor dem Gotthard-Tunnel, gegen 10.40 Uhr. Wir telefonieren mit Pascal Schumacher, unserem Schweizer #hüttenpraktikant. Heute ist sein Geburtstag. Ein runder noch dazu. Wir gratulieren dem Walenstädter zu seinem 30. Ehrentag. „Ich fühle mich kein Jahr älter“, begrüßt er uns. Wir hören ihn lachen. Seit acht Uhr morgens ist er in seinem Auto unterwegs zur nächsten Bergtour mit Hütteneinkehr. Die Handyverbindung reißt anfangs leider immer wieder ab. „Zu viel Verkehr“, hören wir ihn sagen. „Ich fahre doch über den Furkapass.“ Wir fragen ihn nach den letzten Tagen, nach der letzten Woche.
Das Wetter zeigte sich über einige Tage etwas stabiler, ausnahmsweise kein Gewitterrisiko in den Bergen der Eidgenossen. Für Pascal ein guter Grund, nochmals mit Freunden eine fordernde Tour zu planen: Das Schreckhorn (4.078 m), eine anspruchsvolle Alpintour im Kanton Bern. Ausgangspunkt für die Route über den Südwest-Grat ist Grindelwald (1.034 m). Am Montag stiegen die Weggefährten bis zur Schreckhornhütte (2.530 m) auf, um gegen zwei Uhr morgens Richtung Gipfel aufzusteigen. In der Schutzhütte angekommen, gingen sie nach dem Abendessen zügig zu Bett, um zwei Stunden nach Mitternacht aufzustehen und ihren Weg Richtung Gipfel weiterzugehen. „Es hatte einen Föhnsturm, sehr viel Wind“, erinnert sich Pascal an den Morgen, der fünf Stunden Aufstieg mit sich brachte. Die Bedingungen forderten volle Konzentration. Oben angekommen, legten sie eine Pause ein, um das Geschaffte und den Weitblick zu genießen. Für Pascal ein Gipfel, der eine „sehr harte Tour“ verspricht. Die härteste, die er jemals gemacht hat – insgesamt 14 Stunden unterwegs, 3.500 Höhenmeter Abstieg nach Grindelwald noch am selben Tag. „Ein Berg, den ich garantiert nicht vergessen werde“, fasst der 30-Jährige zusammen.
Die darauffolgende Nacht verbrachte er im Auto. Um vier Uhr morgens klopfte ein Freund ans Seitenfenster. Neues Ziel war der Alphubel (4.206 m) nahe Saas Fee (1.798 m) im schönen Wallis. Für Pascal ein Wiedersehen, allerdings auf neuer Route über den Feekopf (3887 m).
Nach Face-Time-Talk mit dem Team der Britanniahütte (3030 m) – die zwei schafften keinen persönlichen Besuch, weil die letzte Gondel fuhr – ging es für Pascal allein zurück nach Grindelwald.
„Donnerstag bin ich mit dem Auto ins andere Tal Richtung Kandersteg (1.150 m) gefahren“, berichtet Pascal weiter. Dort stieg er zur Fründenhütte (2.562 m) auf. „Unerwartet hatte ich dann auch noch ein wunderschönes Wiedersehen mit dem Fründenhorn (3.369 m),“ so Pascal. In seinem ersten Jahr als Hüttenpraktikant, im Jahr 2019, hatte er mit dem Hüttenwirt der Fründenhütte eine Abmachung getroffen. Dieser begleitete ihn um drei Uhr morgens auf den steilen, imposanten Gipfel. Im Gegenzug arbeitete Pascal für einen Tag in der Küche. Etwas, das der ambitionierte Bergsteiger immer wieder gerne anbietet. Nicht zuletzt wegen der guten Gespräche, die beim Abwasch entstehen. Die beiden Weggefährten von 2019 sind gute Freunde geworden. Etwa zwei Jahre nach ihrer Tour auf das Fründenhorn erlebten sie einen schönen Abend in bester Gesellschaft. Bis um Mitternacht ein Sturm aufzog. „Alle Gäste sind aufgewacht und wir dachten, dass es uns die Hütte wegnimmt.“ Eine Stunde lang tobte der Sturm. An Schlaf war nicht zu denken. Gegen 1 Uhr beruhigte sich das Wetter und sie gingen müde und erleichtert zu Bett.
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen traf Pascal auf fünf Steinböcke, die sich an ihm nicht störten. „Sie wollten mich nicht wirklich durchlassen“, beschreibt er den Moment. Irgendwann klappte es aber doch und Pascal fand seinen Weg zur Blüemlisalphütte (2.840 m) und zur Wildi Frau (3.274 m). Ein Gipfel mit leichter Kletterei, der ihm einen spektakulären Ausblick bot.
Ein wirklich schöner Tag, so als Abschluss“, resümiert das Geburtstagskind. „Ich habe aber gemerkt, dass meine Beine, mein Kopf, alles ziemlich müde war.“ Eine Woche, die ihm im Gedächtnis bleiben wird. Eine Woche mit „unterm Strich 10.000 Höhenmetern, etwa 100 Kilometern - eine taffe Woche“. Und heute, an Deinem Geburtstag? Wo geht es hin? „Nach Zermatt. Ziel ist die Dufourspitze.“ Mit 4.634 Metern ist die Dufourspitze der höchste Berg der Schweiz und der zweithöchste Berg der Alpen. Die Monte Rosa Hütte (2.883 m) ist bereits reserviert. Es kann also wieder aufwärts gehen.
Ein schöner Start in die 30er.
Happy birthday, Pascal und weiterhin eine gute Zeit am Berg.
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