blog_seilschaft_top blog_seilschaft_top

Vom Wert der Freundschaft

#HÜTTENPRAKTIKANT

29. Juli gegen 9.30 Uhr, am Ringelspitz (3.248 m), Grenzgipfel zwischen den Schweizer Kantonen Graubünden und St. Gallen.

Unser Hüttenpraktikant Pascal Schumacher blickt mit zwei Freunden vom freistehenden Gipfel des Ringelspitz (3.248 m) bis zu den Ötztaler und Walliser Alpen. Die Luft ist nach gestrigem Regen klar, der Himmel blau, die Sonne scheint. Etwas Nebel unter ihnen. „Der Tag ist ein Geschenk“, sagt Pascal. So einen Juli hat der 29-Jährige aus Walenstadt noch nie erlebt. „Jeden Tag gibt es Gewitterrisiko und gestern habe ich den Regentag des Jahres erwischt.“ Erst gegen späten Nachmittag hörte es auf zu regnen. Als Pascal und seine Freunde – Manuel, Matthias und Hannes – auf der Ringelspitzhütte (2.000 m) eintrafen, lockerte sich die Bewölkung und ging in eine „wunderschöne Abendstimmung“ über. Nach dem Abendessen gingen die Freunde, die sich von der Zeit beim Schweizer Militärdienst kennen, die geplante Route zum Ringelspitz durch. „Damit jeder weiß, was ihn erwartet und wie die Tour verläuft“, erklärt Pascal, der den Ringelspitz bereits zehn Mal bestiegen hat. Winters wie Sommers eine schöne Tour für den Bergsteiger – wobei sie „im Winter fast am schönsten ist, weil alles weiß ist und ich die Berge im Winter besonders liebe.“

Nach der Tourenbesprechung schwelgten die Kameraden in Erinnerungen und hatten es lustig. „So eine Nacht auf der Hütte ist nicht zum Schlafen, sondern zum Ausruhen“, sagt Pascal und lacht. Gegen 23.30 Uhr zogen sie sich ins 8er-Lager zurück, das sich die vier mit einem Bergführer teilten. Um etwa 3 Uhr zog es Pascal vor die Hütte. Eine „Hammerstimmung“ am Himmel. So eine klare Nacht, so viele Sterne über ihm. Das hatte er lange nicht erlebt.
Etwa 1,5 Stunden später, gegen 4.30 Uhr, gab es Frühstück und sie starteten zu viert in Richtung Ringelspitz. Auf halber Strecke, bei einem ausgesetzten Gratstück, entschied sich Manuel dafür, umzudrehen, da die Tour für ihn zu heikel wurde. „Ich bot ihm an, ihn zurück zur Hütte zu begleiten, aber für ihn war es gut, allein zurück zu gehen und dort auf uns zu warten“, erzählt Pascal. Er sagte, wir sollen den Gipfel auf jeden Fall machen. So stiegen sie als 3er-Seilschaft weiter auf, während Manuel abstieg und, zurück auf der Hütte, in der Küche half.
Nach etwa fünf Stunden stehen sie am Gipfel des Felsturms und genießen den unendlich weiten Blick in alle Richtungen.

Pascal mit Freunden

Für Hannes und Matthias ist dies eine Premiere – sie stehen heute zum ersten Mal auf dem höchsten Gipfel des Kantons St. Gallen. Der markante Doppelturm ist ein Grenzgipfel, da die benachbarte Region Graubünden, größter Kanton des Alpenlandes, ebenso Anspruch auf den imposanten Felsturm erhebt. Der Weg hinauf gilt als anspruchsvolle Alpintour inklusive Kletterpassagen. Es braucht nicht viele Worte dort oben in 3.248 Metern Höhe. Vollkommene Zufriedenheit und die Freude über das gemeinsame Erlebnis stehen allen ins Gesicht geschrieben. Dieser Gipfelmoment wirkt beflügelnd auf die Seilschaft, er wird sich einprägen und noch lange nachwirken. „Besonders wertvoll“ sind solche Augenblicke für Pascal. „Es liegt eine Euphorie in der Luft. Man wird fast übermütig aufgrund der Freude über das Erlebte“, beschreibt er seine Gefühle. Dort oben, am Ziel der Anstrengung, geht es um „Teamwork. Wir haben das zusammen geschafft. Wir dürfen das zusammen genießen.“ Das sind unbezahlbare Ereignisse, insbesondere dann, wenn man sie mit Menschen teilen darf, die einem am Herzen liegen. Menschen mit denen man nicht nur die Leidenschaft für den Bergsport teilt, sondern viel mehr.

Pascals Freunde

Freundschaften entstehen nicht von heute auf Morgen. Sie brauchen Zeit, Vertrauen, Gemeinsamkeiten, Sympathie zueinander. Wahre Freunde schenken einander Geborgenheit, das Gefühl von Zugehörigkeit, Konstanz, Sicherheit, Interesse. Und sie schenken einander gemeinsame Zeit, in denen Momente geteilt werden, die die Freundschaft stetig nähren. Für Menschen, die jede freie Minute in den Bergen verbringen, gibt es kaum etwas schöneres, als diese wertvolle Zeit mit Gleichgesinnten zu teilen.
Pascal, Hannes, Manuel und Matthias lernten sich nach der Schule beim Militärdienst kennen. Durch Pascal entdeckten die drei jungen Männer die Berge neu. Da alle in der gleichen Region leben, gelingen hin und wieder gemeinsame alpine Unternehmungen, die von Respekt und Verständnis füreinander geprägt sind und bei denen es laut Pascal „einfach harmonisch“ zugeht. Dies ist ihm sehr wichtig, wenn es um Freundschaften geht. „Ich habe eine Handvoll Freunde, die meine Situation verstehen und immer für mich da sind, wenn ich sie brauche“, sagt der Bergsportler. „Bei Nacht und Nebel. Bei Regen und Gewitter.“ Auf Freunde ist Verlass. Freunde sind treu.
Zurück auf der Ringelspitzhütte treffen die drei Gipfelstümer auf Manuel, der sich mit seinen Weggefährten über das Erlebnis freut – auch, wenn er nicht dabei war. Und was folgt ist ein Mittagessen vor der Hütte bei Sonnenschein. Begleitet von guten Gesprächen, herzhaftem Lachen und dem wunderbaren Gefühl, mit den richtigen Menschen am richtigen Fleckchen Erde zu sein.

Der 30. Juli ist übrigens der internationale Tag der Freundschaft, in´s Leben gerufen im Jahre 1958, um an die Freundschaft zwischen Personen, Ländern und Kulturen zu erinnern.

 

#Hüttenpraktikant: Weitere Stories
Vom Glück, frei entscheiden zu können
Was es heißt, umweltbewusst auf Berge zu steigen
Mit den Öffis zum Berg? – Da ist noch Luft nach oben
Vier (Arbeits-)Tage auf der Warnsdorfer Hütte

 

blog_seilschaft_3 blog_seilschaft_3