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LEBEN IN DER VERTIKALEN

#SALEWAGETVERTICAL

Die Wolken öffnen sich einige Augenblicke lang und geben den Blick auf die beeindruckenden Bergwände frei, die den Ort San Martino di Castrozza im Herzen der Dolomiten gleichsam von oben überwachen. Das ist unser nächstes Ziel, wenn das Wetter günstig ist. Nach und nach kommen die ausgewählten Teilnehmer des Wettbewerbs „Get Vertical" von Salewa im Hotel der malerischen italienischen Ortschaft an. Salewa suchte wie jedes Jahr Outdoor-Enthusiasten, die ein einzigartiges Erlebnis in einer traumhaften Umgebung genießen wollten. Für den Wettbewerb musste man über seine Erfahrung und Interessen berichten, Fotos schicken, ... und die glücklichen Gewinner bildeten eine Gruppe von Unbekannten aus verschiedenen Ländern, die sich am letzten Augustwochenende an den gewaltigen Wänden dieser Gegend an ein vertikales Abenteuer wagten. Ein Grieche, zwei Belgier, drei Italiener, zwei Polen, eine Tschechin, ein Slowene, eine Österreicherin und ein Spanier – es klingt nach einem Witz oder einem Team der Internationalen Weltraumstation, aber nein: das sind für drei Tage die Mitglieder des Salewa-Teams. Die Guides von San Martino kommen, um uns kennenzulernen und zum ersten Mal mit uns in der Kletterhalle zu klettern. Das ist nicht die schlechteste Idee, denn draußen regnet es in Strömen. Dort bilden sich die Zweierseilschaften, die jeweils mit einem Guide unterwegs sein werden. Für mich könnte es nicht besser aussehen: Loes ist eine junge Kletterin aus Belgien, stark wie Essig, so beschreibt sie sich, obwohl es bei ihr zu Hause nicht viele Berge oder Wände gibt, die sich zum Klettern eignen, und daher verbringen die Kletterer die meiste Zeit in der Kletterhalle ... Also kommen wir an der Wand sicher schnell vorwärts. Unser Guide ist Cristiano, kräftig wie man es von einem Mann seines Berufs erwartet, mittleren Alters und mit mehr als 200 Besteigungen der Wände des San Martino, das will schon etwas heißen! Als Nächstes suchen wir unsere Ausrüstung aus, wir teilen die Salewa Ausrüstung unter uns auf, als ob wir mitten im Schlussverkauf wären, wir suchen das Material aus, das uns dabei helfen wird, die hohen und gewaltigen Bergwände der Dolomiten zu bezwingen. Bisher haben wir sie nur flüchtig vom Tal aus gesehen, aber sie beeindrucken durch ihre vertikale und abrupte Silhouette.

AUF GEHT'S!

Wenn es in die Berge geht, heißt es früh aufstehen und kräftig frühstücken, denn man weiß nie, was einen erwartet. Daran halten wir uns also, um so früh wie möglich zur Seilbahn zu kommen, die uns in die Nähe des Rosetta-Gipfels bringen soll. Auf unserer Fahrt in die Höhe kommen wir durch verschiedene Wetterphasen: Wolken, klarer Himmel, Regen und Nebel. Oben sieht es gemischt aus, aber wir sind alle zum Klettern entschlossen, denn dafür sind wir ja schließlich hergekommen ... Zunächst bringen wir einen Teil der Ausrüstung in die Berghütte Rosetta, wo wir die Nacht verbringen werden. Nach einem kurzen Spaziergang sind wir also alle bereit, und es kann losgehen. Inzwischen haben wir uns etwas kennengelernt und die Gruppe mit einer interessanten Vielfalt von Kulturen und Perspektiven nimmt Gestalt an. Jeder hat eine Geschichte zu erzählen, wo man klettern geht, wie die „Schulen“ zu Hause so sind oder welche Sportarten man neben dem Klettern betreibt. Die Belgier, Loes und Sebastian, müssen nach Frankreich reisen, um etwas höhere Felswände zu finden. Die beiden konnten es kaum erwarten und sind schon vorher angereist, um den dolomitischen Kalkstein zu erkunden. Dimitri, der Grieche, kommt aus einer anderen Umgebung, wo die Hitze bei seinen Klettertouren die Hauptrolle spielt. Die Damen aus Polen dagegen müssen warten, bis der harte Winter zu Ende ist, um ihre Sportkletterrouten genießen zu können. Aber sie nutzen die Zeit und trainieren hart in der Halle. Die Unterhaltungen über Kletterthemen laufen auf Hochtouren und füllen die in diesem Sport üblichen Wartezeiten, wenn auch hier die Vielfalt der Sprachen etwas Besonderes ist. Als Letzter kommt Carlos an, nach einer abenteuerlichen Anreise. Er ist einer der klassischen Kletterer und klettert seit 20 Jahren im Norden von Spanien. Wir reden von den Picos de Europa, vom Naranjo, vom traditionellen Klettern, von den harten Kletterern der alten Schule, die die Routen folgendermaßen gradierten: sehr schwer, schwer, machbar, ... Aber es gibt keine Zeit zu verlieren, ab Mittag ist Regen angesagt, also müssen wir uns beeilen, wenn wir die dolomitischen Felsen ausprobieren wollen.

Cristiano kommt im Schnelltempo aus der Berghütte und macht sich auf die Suche nach unserer Route. Er kennt die Gegend wie seine Westentasche, also folgen wir ihm im Nebel über Grate und Geröllhalden während wir den Rosetta-Gipfel umgehen, um zur Südseite zu gelangen. Da ist die Via Leviti, etwa 250 m hoch, fünf Seillängen lang, mit Schwierigkeitsgrad V+. Eine weitere Seilschaft folgt uns auf dem Weg zum Einstieg an der Wand. Wir werden also zu sechst mehr oder weniger gleichzeitig klettern, während sich die anderen aufteilen, um verschiedene Routen in Angriff zu nehmen. Als wir an der Wand ankommen, sehen wir, dass sie trocken ist und dass die Route machbar ist. Wir hatten schon befürchtet, einen Wasserfall vorzufinden, aber wir haben Glück. Cristiano zieht seine Kletterschuhe an und steigt nach oben wie eine Rakete, das Terrain ist brüchig aber nicht besonders schwierig. Klassisches Wandklettern erfordert ein gewisses Maß an Koordination, vor allem bei einer Dreier-Seilschaft, denn man muss die Sicherungsmanöver kennen, den Rhythmus, in dem man klettert, die vom Vorsteiger angebrachten Haken entfernen und keine Zeit an den Standplätzen verschwenden, wo normalerweise ein Durcheinander von Seilen und Ausrüstung herrscht. Obwohl ich seit einem Jahr nicht in den Bergen war und wir uns kaum kennen, geht es von Anfang an zügig voran. Loes sichert Cristiano in dieser ersten Seillänge. Sobald er oben angekommen ist, gehen wir hoch. Der Fels ist kalt. Kaum zu glauben, dass wir am Ende des Sommers sind. Das Klima ähnelt eher dem Winter im Norden von Spanien. Das ist eben das wahre Bergsteigen! Wir kommen auch schnell voran. Das Terrain ist nicht sehr kompliziert, aber der Fels ist stellenweise brüchig, wie es oft bei Bergen der Fall ist, die im Winter extremen klimatischen Bedingungen ausgesetzt sind. Es ist wichtig sicherzugehen, dass man an eine feste Stelle greift, die nicht unter den Händen wegbricht, und auch darauf zu achten, wo man hintritt, denn man kann leicht Steinschläge auslösen, und genau das passiert ein paar Meter weiter oben, als ein fallender Felsbrocken mein Schienbein trifft. Es ist nicht der schlimmste Steinschlag, den ich je abbekommen habe ... Kurz danach saust ein anderer an uns vorbei und landet ganz in der Nähe der nächsten Seilschaft. Das ist eben das Risiko im Hochgebirge. Man muss immer aufmerksam sein, weil man nicht alles kontrollieren kann. Die letzten beiden Seillängen sind am interessantesten, zum einen wegen der Vertikalität und zum anderen weil die Wolken anfangen, alles einzuhüllen, was ein Gefühl der Spannung erzeugt und uns dazu antreibt, so schnell wie möglich aus der Wand zu kommen. Wir kommen an den Standplatz der letzten Seillänge und stellen fest, dass der Regen vom Morgen glücklicherweise diesen Teil der Wand nicht getroffen hat. Sie ist trocken und so können wir sicher klettern. Auf halber Seillänge befindet sich ein Vorsprung, der es erforderlich macht, die Füße gut zu platzieren und den Halt zu nutzen, den die Verschneidung bietet (so nennt man den Bereich zwischen zwei Wänden, die in einem Winkel von ca. 90º aufeinandertreffen). Als sich die Wolken hinter uns öffnen und wir die Wände sehen können, die uns umgeben, und die Wege, die im Zickzack ins Tal hinunterführen, ist das ein unbeschreibliches Gefühl. In diesem Teil der Dolomiten steigen die Wände mit einer gewaltigen Vertikalität zum Himmel empor und drängen sich dicht nebeneinander. Das vermittelt ein Gefühl der Unendlichkeit und man kommt sich sehr klein vor ... Im letzten Abschnitt zum Gipfel können wir die Grate am oberen Teil des Rosetta-Gipfels sehen, und gerade als wir die ganze Ausrüstung zusammenpacken bricht ein gewaltiges Sommergewitter über uns herein. Wir rennen zur Berghütte. Unsere Freunde aus den anderen Seilschaften sind noch an der Wand, sie kommen nach und nach auch in die Berghütte und jeder bringt ein anderes Abenteuer mit. Sie sind etwas nass geworden aber sie kommen mit einem Lächeln im Gesicht. Wir haben es geschafft – an einem der imposantesten Orte unseres Kontinents zu klettern.

SEILSCHAFT: TEAMARBEIT

Wenn es etwas gibt, was jedes Mal an Bedeutung gewinnt, wenn man sich an einer großen Wand oder im Hochgebirge befindet, dann ist es die Beziehung zum Kletterpartner. Seilschaften werden in der Regel von zwei Kletterern gebildet und oft gibt es einen Synergieeffekt, d. h. dass die beiden zusammen besonders stark werden. Diese Verbindung zum Teampartner gibt es nicht bei vielen Sportarten. Es entsteht eine ganz besondere Verbundenheit zwischen Menschen, die miteinander in Seilschaften klettern. Beim Abendessen – immer ein Highlight in der Berghütte, weil nach Stunden sportlicher Betätigung ohne Essen alle einen Riesenhunger haben – hören wir Jacek Matuszek zu. Dieser polnische Kletterer – viele der härtesten Alpinisten, die das Himalaya-Gebirge gesehen hat, sind aus Polen – ist Markenbotschafter von Salewa und erzählt uns nach dem Essen von seinen Abenteuern in den Dolomiten, wo er fünf Jahre lang die härtesten „Big Walls“ erobert hat. Bei den meisten seiner Geschichten spielt auch die Beziehung zu seinen Abenteuergefährten eine große Rolle. Dieses Gefühl der Verbundenheit breitet sich auch unter allen Teilnehmern des Get Vertical aus, die nun lachend ihre Abenteuer in den Bergen, auf dem Eis, am Felsen oder im Leben austauschen. Am zweiten Tag an den Bergwänden von San Martino ist das Wetter noch schlechter, und unsere Vorfreude auf das Erklimmen einiger der nahen Gipfel nimmt im gleichen Maß ab, in dem die Intensität des Unwetters zunimmt, das sich über der Berghütte zusammenbraut. Die Guides beschließen, eine nahegelegene Wand mit Überhang zu suchen, die trotz Regen trocken bleibt, um ein wenig Sportklettern zu praktizieren. Also ziehen wir die Kletterschuhe wieder an, legen die Klettergurte an und testen unsere Geschicklichkeit an Routen zwischen 6b und 6c+, während Jacek sich meisterhaft an einer anspruchsvollen Route von 8a versucht, die er beim zweiten Versuch schafft. Es ist ein Vergnügen, den Profis beim Klettern zuzusehen. Den zweiten Teil des Tages verbringen wir damit, die 9 Kilometer zu wandern, die uns von der Berghütte Pradidali trennen: unser nächstes Ziel auf 2.800 m. Nach zwei Stunden Auf und Ab auf gewundenen Pfaden, immer unter der Aufsicht der riesigen Felswände, gelangen wir an einen Ort mit magnetischer Anziehungskraft. Es ist einer der Orte, die sich einem tief einprägen, sowohl in der Erinnerung als auch auf der Speicherkarte des Smartphones, weil man einfach nicht aufhören kann, sie zu fotografieren. Die Berghütte, die die Guides wegen des abendlichen Ambientes lieben, befindet sich am Fuß einer fast einen Kilometer hohen Steilwand. Vor der Kulisse des mächtigen Bergs sieht sie aus wie ein Spielzeughaus. Carlos und ich haben den ganzen Nachmittag davon geredet, welche Routen wir machen könnten, wenn das Wetter günstig ist, während Cristiano uns erklärt, wo die Routen verlaufen. Diese Wand ist der Wahnsinn, es gibt eine Route, die vertikal hochgeht, nach dem berühmten Alpinisten „Buhl“ benannt. Es scheint, dass uns diese lange Wand diesmal verwehrt bleiben wird ... Aber die Atmosphäre um diese Berghütte herum ist einmalig und es lohnt sich, nur dafür dorthin gelangt zu sein. Das Erlebnis „Get Vertical“ von Salewa endet am nächsten Morgen mit einer weiteren großen Wanderung bei leichtem Regen durch den vernebelten Wald ins Tal hinunter. Nach drei Tagen in Gesellschaft der Gewinner des Wettbewerbs und des Teams von Salewa ist klar, dass eine einzigartige Atmosphäre und besondere zwischenmenschliche Beziehungen entstanden sind. Wir kamen als Fremde und gingen als Kletterpartner und Freunde.

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