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Das Gespräch führte Bernd Krainbucher.

Salewa3000: Interview mit Paul Guschlbauer

#SALEWA3000

Paul Guschlbauer – Ausnahmepilot, Red Bull X-Alps sowie Salewa Athlet und Abenteurer, erlebte mit uns gemeinsam eine Premiere: Am Freitag, den 03. April 2020 gegen 16.30 Uhr, führten wir mit Paul unser erstes Online Live Interview durch. Der 36-jährige Österreicher aus Hallein bei Salzburg sprach über seine Träume und Abenteuer, seinen Trainingsalltag in Zeiten von Ausgangsbeschränkungen und die Teilnahme bei den legendären Red Bull X-Alps. Bereits fünf Mal lief und flog Paul von Salzburg bis nach Monaco. Ob er im Jahr 2021 wieder am Start stehen wird und wo auf dieser Welt er am liebsten seine Zeit verbringt, erfahrt ihr im Interview. Das Gespräch führte der Steirer Bernd Krainbucher. Bernd, der seit acht Jahren in Kitzbühel zuhause ist, lernten wir bei den Red Bull X-Alps kennen. Er ist Sport- und Event-Moderator. Seit zehn Jahren betreut der ebenfalls 37-Jährige die Red Bull Cliff Diving World Series und nebenbei versucht er dem Bergsport in all seinen Facetten treu zu bleiben.

Paul, wie alle Österreicher bist Du in diesen Zeiten natürlich auch daheim. Vor den Ausgangsbeschränkungen hast Du täglich trainiert. Was machst Du jetzt, um fit zu bleiben?
Paul:
Viele Optionen bleiben mir aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht. Ich fliege nicht, ich gehe nicht in die Berge und fahre auch kein Mountainbike. Um fit zu bleiben, gehe ich laufen. Und fertig. Außerdem versuche ich natürlich auch ein bisschen etwas zu arbeiten. Es gibt bei mir auch administrative Dinge, die abzuarbeiten sind.

Dieses Frühjahr ist aus Sicht der Paragleiter super, die Verhältnisse sind an vielen Tagen perfekt. Seit Anfang März herrschen absolut sensationelle Bedingungen – auch für Langstreckenflüge. Wie stark blutet Dein Flieger-Herz, dass Du nicht abheben darfst?
Paul:
Mein Herz blutet natürlich extrem. Viele Paragleiter wären diese Tage natürlich liebend gern beim Fliegen und leiden jetzt gerade richtig. Ich bin aber sicher, dass es immer wieder so schöne Tage geben wird. Und wir werden auch nach dieser Ausnahmesituation wieder perfekte Bedingungen zum Fliegen haben. Die Berge laufen ja nicht davon und das schöne Wetter läuft uns auch nicht davon. Wenn sich alle an die Regeln halten, haben wir auch eine Chance, dass sich die Regeln – hoffentlich bald einmal – wieder etwas lockern.
Im Moment müssen alle Verantwortung übernehmen: Ich möchte mich nicht anstecken und Auslöser dafür sein, dass sich andere anstecken und ich möchte das System nicht unnötig belasten. Wenn das also bedeutet, dass ich mich im Bezug auf mein Training einschränken muss, dann ist das im Moment so. Ich denke, dass jeder Verantwortung übernehmen sollte.

Das klingt überzeugend und vernünftig. Neben den täglichen Trainingseinheiten pausieren auch Projekte und Vorhaben. Persönliche und berufliche. So hat auch das von SALEWA initiierte Projekt SALEWA3000 eine Pause eingelegt. Die Aktion rund um die 784 Dreitausender Österreichs ist ja zu Jahresbeginn gestartet und setzte sich zum Ziel, gemeinsam mit der Community alle Dreitausender bis Ende Juni zu besteigen. Weißt Du, wie es hier weitergehen wird?
Paul:
Sobald wir wieder in die Berge dürfen, geht es weiter. Es warten noch einige „unbestiegene“ Gipfel. Und auch die Spendensumme für den Österreichischen Alpenverein zur Renovierung des Glockner Biwaks sollte natürlich noch weiter anwachsen. Soweit ich weiß, wird SALEWA das Projekt in die Spätsommermonate und in den Herbst verlängern. Eventuell bis Ende September oder sogar Oktober. Es kommt jetzt darauf an, wann es weiter gehen darf. Ich habe mir im Rahmen von #SALEWA3000 vorgenommen, auf einen Berg zu gehen, der jetzt von sich aus nicht wahnsinnig spektakulär ist. Für mich ist der Hocharn aber ziemlich besonders, weil es mein erster Skitouren-Dreitausender war.

Wie die Zeit vergeht. Dann wirst Du in Erinnerungen an Deine Jugend schwelgen hoch oben am Hocharn?
Paul:
Ich habe mir gedacht, dass sich von dort aus einige schöne Dreitausender miteinander verbinden lassen und möchte somit an einem Tag mehrere Dreitausender „abcatchen“ und so eine Art von Überschreitung machen. Im Moment geht natürlich nichts. Ich war aber zum Glück, bevor diese Maßnahmen getroffen wurden, bereits auf ein paar anderen hohen Bergen – heuer schon – und konnte somit schon einen kleinen Beitrag leisten.

Dann hoffen wir, dass sich die Möglichkeit, weitere Gipfel und somit Spendengelder für das Glockner Biwak zu sammeln, bald wieder ergibt. Paul, Du bist Abenteurer, Leistungssportler, bist freiheitsliebend und „draußen“ daheim. Gibt Dir diese Situation jetzt die Möglichkeit, neue Projekte minutiöser zu planen? Jeder, der Dein Projekt Overland verfolgt hat, kann erahnen, wie aufwendig so ein Mammut-Projekt, das über mehrere Monate läuft, sein muss.
Paul:
Ja, natürlich. Die Ideen gehen ja nicht aus und jetzt ist gerade eine Zeit, wo richtig viele Ideen daherkommen. Man träumt halt mehr. Da wird es sicher jedem so gehen. Bei mir ist es so, dass ich meine Ideen sammele. Und wenn, aus meiner Sicht, eine richtig coole Idee dabei ist, dann schreibe ich ein Konzept und stelle dies dann meinen Sponsoren vor. Dann kommt dazu, dass ich sehr viel Footage von früher habe, das noch nicht aufbereitet oder gar geteilt wurde. Ich „stöbere“ im Moment sicher auch gern in den bereits erlebten Projekten und Aktionen.

Weil Du sagst, „Footage aufbereiten“. Das Projekt Overland – von ganz im Norden Alaskas bis in den Süden Patagoniens – dauerte einige Monate an. Anfangs hast Du alle paar Tage Eure Erlebnisse digital geteilt. Irgendwann in der Mitte habt ihr dann darauf verzichtet, das Erlebte zu sharen, weil ihr ein bisschen in Zeitnot gekommen seid. Dürfen wir uns jetzt darauf freuen, dass die noch fehlenden Overland-Episoden zeitnah zur Verfügung gestellt werden?
Paul:
Ja, auf jeden Fall. Das ist schon ein Ziel von mir, diese Episoden noch fertig zu stellen.

Wunderbar. Was bedeutet Dir Overland?
Paul:
Overland war und ist ein Lebenstraum von mir. Als ich das erste Mal in Alaska war und dort lernte, ein Buschflugzeug zu fliegen und diese Fähigkeit dann mit meinen anderen Sportarten verbinden konnte – das hat mir enorm viele Möglichkeiten eröffnet. Ein Flugzeug zu fliegen, mit dem ich praktisch überall – wie mit einem Hubschrauber – landen kann, das bedeutet Freiheit für mich. Dann entstand der Gedanke, einmal über den nord- und südamerikanischen Kontinent zu fliegen und die Welt aus der Vogelperspektive zu sehen. Der Wunsch, dort ein großes Abenteuer zu erleben, natürlich mit dem Gleitschirm im Gepäck, war groß.

Und Du hast das Projekt durchgesetzt. Ihr seid im Sommer 2018 tatsächlich nach Alaska gestartet – Du und Deine Frau Magdalena.
Paul:
Ja, ich glaube, sie hat anfangs noch nicht gewusst, worauf sie sich einlässt.
(Paul lacht)
Die Idee war immer, unsere Reise wöchentlich per you tube vlogs zu teilen. Ich habe dann auch jede Woche ein Video veröffentlicht, um zu zeigen, was gerade so passiert ist. Wir sind dann Richtung Mexiko gekommen und dort wurde es etwas stressig. Ich bin ja selber geflogen, habe mich um das Flugzeug und um die Fluggenehmigungen gekümmert. Um alles einfach – Flugplanung, Wetter, Filmen, Schneiden.

Das wurde dann alles zu viel?
Paul:
Wir mussten einfach etwas weglassen. Und das war dann das Schneiden vom Footage. Und natürlich dann auch das Teilen der Erlebnisse via you tube vlogs. Einige, die die Reise verfolgt haben, haben ja dann leider echt geglaubt, dass ich irgendwo in Mexiko abgestürzt oder eingesperrt worden bin. Das sollte natürlich nicht sein. Aber es war ja dann irgendwann klar, dass wir unser Ziel erreicht haben.

Und jetzt soll es wohl so sein und Du kannst die Geschichte Overland fertig erzählen. Paul, Du hast gesagt, dass Deine Schublade quasi voll ist mit weiteren Konzepten. Zudem hast Du mir vor Kurzem erzählt, dass Du, als Exil-Steirer, Deinen Zweitwohnsitz nach Alaska verlegen würdest. Wie sehen Deine Zukunftspläne dahingehend aus?
Paul:
Jetzt muss ich aufpassen. (Paul lacht)
Ich habe mich grundsätzlich in die Möglichkeiten, die Alaska bietet, verliebt. Man kann mit seinem Flugzeug einfach ein Flussbett entlang fliegen – rechtlich und räumlich hat man in Alaska so viel mehr Freiheiten, als hier bei uns. Im Moment sind diese Gedanken aber etwas auf Eis gelegt. Unser Plan war ja eigentlich, im August für einige Wochen nach Alaska zu gehen. Dort steht ja auch mein Flugzeug. Zu dem kann ich im Moment leider nicht einmal hin. Das macht mich schon ein bisschen traurig. Andrerseits ist mir bewusst, dass es wirklich ein Luxus ist, fast jederzeit, überall sein zu können. Vielleicht muss man jetzt einfach wieder ein bisschen umdenken. Die heimischen Berge sind auch wunderbare Reiseziele.

Ihr wolltet eigentlich im August nach Alaska. Nun muss man dazu sagen, dass Du vor kurzem Vater geworden bist. Deine Frau Magdalena hat Dir einen Sohn geschenkt. Der Kleine ist sieben Wochen alt. Und schon gab es Pläne, ihm Alaska zu zeigen?
Paul:
Ja, wir waren beide – oder sind es noch – hoch motiviert, im August nach Alaska zu fliegen. Vielleicht klappt es ja doch noch. Schauen wir mal. Wenn wir reisen können, ist es cool. Ich möchte meinem Sohn auf jeden Fall solche Dinge zeigen können. Orte an denen der Bär direkt vor der Haustür vorbei kommt, Regionen ohne Zivilisation.

Wirklich sensationell. Da kommt Gänsehaut-Stimmung auf. Fantastische Pläne. Kommen wir zu anderen Ideen und Zukunftsplänen. Wir kennen uns ja bereits von den legendären Red Bull X-Alps, bei denen Du bereits fünf Mal am Start gestanden bist. Siehst Du Dich mehr als Leistungssportler oder reklamierst Du doch eher die Abenteurer-„Schiene“ für Dich?
Paul:
Für mich sind die Red Bull X-Alps das Gleitschirmabenteuer in Europa. Es braucht, um überhaupt teilnehmen zu können, auch diese Ausdauerkomponente und das trifft sich für mich perfekt. Ausdauer trainieren ist das, was ich mache, seitdem ich gehen kann. So kommt es mir vor. Das wurde von meinem Vater schon immer gefördert und ab einem gewissen Zeitpunkt hatte ich selbst das Interesse daran, meine Ausdauer weiter zu steigern und zu trainieren. Das fällt mir auch recht leicht.
Wettbewerb einerseits, Abenteuer andrerseits – das sind Situationen, in denen bei mir Kräfte freigesetzt werden, die ich sonst gar nicht unbedingt habe. Das hat natürlich auch alles mit Motivation zu tun. Du brauchst ja etwas, das in Dir die Energie und Kräfte auslöst. Bei mir ist das: Draußen sein, irgendwo in den Bergen auf mich allein gestellt zu sein – wie bei den Red Bull X-Alps – irgendwo einlanden, Wege auf Gipfel zu finden. Deswegen taugt mir wahrscheinlich auch Alaska so. Sobald Du einen Schritt vor die Haustür setzt, bist Du auf Dich allein gestellt. Du musst vorher überlegen, was Du als nächstes tust. Da sehe ich Parallelen zu den Red Bull X-Alps. Und ja, ich werde auch im Jahr 2021 am Start stehen.

Siehst Du Dich dann eher als Einzelgänger? Auch, was die Herangehensweise an Deine Projekte betrifft oder stimmst Du Dich immer mit einem engeren Kreis ab?
Paul:
Ich war schon immer ein Einzelgänger und werde wohl auch immer ein Einzelgänger bleiben.
Wenn Du mich fragst, was für mich die beste Situation ist, wo ich mich am wohlsten fühle, dann ist es irgendwo draußen allein in den Bergen. Das ist einfach mein Ding. Es ist ja auch schwierig, ab einem gewissen Niveau, Trainingspartner zu finden, die zum einen das gleiche Level haben und zum anderen auch zur gleichen Zeit verfügbar sind.

Gibt es Eigenschaften an Dir, die Du selbst nicht besonders schätzt?
Paul:
Ich habe sicher einen ziemlich starken Kopf. Das kann natürlich helfen, aber auch zu Diskussionen und kleinen Streitereien führen.

Wie wichtig ist Dir die Kommunikation Deiner Projekte über Social Media? Du siehst Dich als Einzelgänger, präsentierst Dein Leben teils aber öffentlich über diverse Kanäle?
Paul:
Das ist für mich ein Teil meiner Arbeit. Mein Ziel ist es, im weitesten Sinne, Menschen zu inspirieren. Ich wage zu sagen, dass ich relativ gut darin bin, meine Träume in die Realität umzusetzen. Diesen Spirit möchte ich natürlich auch weitergeben. Dafür braucht es Social Media. Mein Privatleben würde ich allerdings nicht teilen. Das tue ich auch nicht. Wobei man natürlich sagen muss, dass bei mir privat und beruflich teils ineinanderfließen. Ich habe ja sozusagen meinen persönlichen Traum zum Beruf gemacht. Aus beruflicher Sicht ist dieser Teil meiner Arbeit sicher wichtig. Als Privatperson brauche ich diese Optionen aber nicht.

Du möchtest Menschen mit Deinem Tun, mit Deinen Projekten, inspirieren. Wir haben hier im Live Chat eine Frage von einem Paragleiter. Er fragt, wie er sich optimal auf seine ersten Gleitschirm-Bewerbe vorbereiten kann. Hast Du einen Tipp für ihn?
Paul:
Ganz generell: Viel fliegen. Ich weiß ja nicht, wie gut er bereits ist oder wie lange er schon fliegt. Aber grundsätzlich sollte man wirklich durch und durch in dieser Thematik „drin“ sein. Ich würde mir auf jeden Fall gut überlegen, was ich konkret erreichen möchte. Wenn man erstmal nur am Start stehen möchte, dann braucht es nicht viel mehr, als sich anzumelden. Wenn ich aber das Ziel habe, so und so weit zu kommen – je nach Wetter – dann ist der nächste Schritt, sich zu überlegen, welche Voraussetzungen ich dafür brauche, dieses Ziel dann auch zu erreichen. Das ist sehr komplex. Es braucht viel; je besser man mit dem Schirm umgehen kann, je konsequenter man den Schirm schnell zusammenpacken kann und schnell weiter geht. Grundsätzlich denke ich, dass es hilft, ein Ziel zu formulieren.
Dann kann man auch danach sagen: Ich habe mein Ziel erreicht. Oder eben nicht erreicht. Ohne konkretes Ziel kann man auch nichts erreichen.

Apropos Ziele. Was ist Dein Ziel für die Red Bull X-Alps 2021?
Paul:
Mein Ziel ist auf jeden Fall, wieder unter den Top 3 zu landen. Natürlich möchte ich immer das Maximum herausholen. Das Maximum bedeute in diesem Fall, nochmal besser zu fliegen, körperlich fitter zu sein, die Planung und das Team nochmals verbessern. Das macht natürlich jeder der Teilnehmer. Dennoch denke ich, dass es noch immer möglich ist, ein mehr an Maximum aus sich heraus zu holen.

… und vielleicht, auch irgendwann einmal, den Chrigel (Anmerkung: Christian Maurer) zu schlagen?
Paul:
Ja, natürlich. Wobei, das traut man sich schon fast nicht mehr zu sagen. Er hat schließlich schon sechs Mal hintereinander die Red Bull X-Alps gewonnen. Da würde ich mich schon sehr auf Glatteis begeben. Ich werde es auf jeden Fall, ganz sicher, so gut ich kann, probieren. (Paul lacht)

Das sind doch wunderbare Pläne. Paul, vielen Dank für das Gespräch. Für uns beide eine Premiere hier live auf Facebook. Für die nächsten Tage und Wochen alles Gute. Nutz´ die Zeit so gut es geht.
Paul:
Das werde ich. Positiv an der ganzen Sache ist tatsächlich, dass ich so viel Zeit für meine Familie und meinen Sohn habe, wie ich sie sonst – ohne Ausgangsbeschränkungen – nicht hätte.

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