Michi Wärhtl
DIE ENTDECKUNG DER LANGSAMKEIT
Im September 2018 begaben wir uns auf die Abschluss Expedition des DAV Nachwuchskaders. Ziel war es mit fünf jungen wilden Alpinsten die in „Vergessenheit“ geratene Südseite vom Shivling zu erkunden. Dort existieren bis heute nur sehr wenige Routen. Auch wir waren nicht gerade erfolgreich im Vorfeld an Informationen zu gelangen. Aber wir wussten diese Wand ist eine Reise Wert.
Nach insgesamt einem Jahr Vorbereitung und Organisation der Expedition ging es am 21.09. in München los. Erste Hürde - unsere 20 Gepäckstücke als Fluggepäck aufgeben. Wir erwischten genau die richtige Lufthansa Mitarbeiterin die dies mit einer stoischen Gelassenheit abwickelte. Erste positive Überraschung!! Die zweite dann beim Zoll in Indien. Keiner wollte etwas von uns Wissen. Einen so problemlosen Auftakt hatte niemand von uns erwartet.
Bis ins Basislager - mit wunderschönen Wiesen und unzähligen perfekten Boulderblöcken - lief alles sehr angenehm reibungslos. Anfangs hatten wir zwar mit sehr schlechten Straßenbedingungen zu kämpfen, aber viel mehr sollte uns dann eine dreitägige Schlechtwetterphase während unserer Anreise in der Südwand zu schaffen machen. Auch mussten wir zunächst drei Tage in die Wegfindung auf der Südseite des Berges investieren. Es ging dabei eine wuchtige und gefährliche Moräne runter und dann mussten wir einen Weg durch den total verblockten Gletscher bahnen. Entlohnt wurde diese Mühe dann von einem wunderschönen Lagerplatz am Fuße der Südseite.
Zunächst kamen wir in der Südwand gut voran und zwei Routen waren schnell ausgewählt. Aber es war noch einiges an Materialtransport und Spurarbeit von uns zu leisten. Auf ca. 5400m richteten wir ein Lager am Südgrat ein der 1981 Erstbestiegen wurde und der bisher nur wenig wiederholt, bzw. versucht wurde. Wir konnten dies nie genau herausfinden. Die zweite Wahl viel auf eine zentrale Linie durch die undurchstiegene Südwand. Ein sehr ambitioniertes Unternehmen. Wir packten unsere Ausrüstung für einen Alpinstilversuch. Finn und Martl wollten in die Südwand. Der Rest vom Team ging einenTag zeitversetzt zum Südgrat. Der Plan fast & light alles zu bewältigen wurde relativiert. Am Südgrat schafften wir zunächst ganze 90 Meter in 6 Stunden. Die Jungs in der Südwand kamen zunächst besser voran. In zwei Etappen kamen sie bis auf 6000m was auch nicht Speedrekordverdächtig ist, da es sich gerade einmal um 1600 Hm vom südseitigen Lagerplatz aus handelte. Auch sie wurden dann vom vielen losen Pulverschnee gestoppt und mussten einsehen, dass sie viel zu langsam unterwegs waren, um mit Ihren Vorräten den Gipfel zu erreichen. Also zurück auf Los.
Krisensitzung im Basecamp.
Ein Plan B musste her. Die Zeit wurde knapp und wir einigten uns schnell auf einen Alpinstil Versuch am „Normalweg“. Immerhin zwischen WI 5/6 mit Klettereinlagen im 6. UIAA Grad. Zuerst aber musste das gesamte Material wieder von der Südseite geholt werden. Eine eintägige Schleppaktion brachte uns wieder völlig zurück auf Los. Am 12.10. brachen wir dann zu sechst auf, nachdem wir zwei Tage zuvor schon einmal in Richtung Nordwestgrat gespurt hatten, was sich als sehr Weise Entscheidung herausstellte. Teilweise Hüfttief steckten wir im Pulver. Nach drei Tagen des Wühlens mit Tagesetappen von sagenhaften 400 Hm, nicht zu vergessen die alten Fixseile, ohne die wir es nie in diesem rasanten Tempo geschafft hätten, bei diesem Bedingungen in drei Tagen den Gipfel zu erreichen.
Am 14.10. standen Bene, Martl, Johannes und ich auf dem Gipfel. Bei bestem Wetter und mit sau kalten Füßen. Berni und Finn mussten leider vorzeitig aufgeben. Am nächsten Tag waren wir alle mit unserem gesamten Material wieder zurück im BC. Einen Tag später verließen wir das Basislager. Just in Time. Mir fiel ein riesen Stein vom Herzen, alle gesund zurück nach Hause zu bringen und „nebenbei“ auch noch auf dem Gipfel gewesen zu sein. Zwar „nur“ ein „Teilerfolg“, aber Südwand wir kommen wieder!!!