Louis Gundolf´s erster Skitouren-Dreitausender
Wir erreichen Louis Gundolf um 21.00 Uhr telefonisch in seiner 20qm-Wohnung in Innsbruck. Im September 2015 zog er mit 15 Jahren aus dem „Hintersten Pitztal“, wo er aufwuchs und seine Familie zu Hause ist, um auf die Sportborg in Innsbruck zu wechseln. Das Oberstufenrealgymnasium (ORG) für LeistungssportlerInnen in Innsbruck wird als verlängerte Oberstufe mit fünf Klassen geführt und soll jugendlichen LeistungssportlerInnen die Möglichkeit bieten, bei verminderter Wochenstundenzahl parallel zu ihrem sportlichen Training und ihren Wettkampfeinsätzen zur Reifeprüfung zu gelangen. Dies durch Freistellungen, Förderstunden, eigens ausgearbeitete Lernprogramme und intensive Zusammenarbeit zwischen dem Ausbildungskoordinator und den TrainerInnen.
Louis ist 18 Jahre alt, besucht die 8. Klasse und hat noch ein Jahr bis zur Matura vor sich. Seine Aufmerksamkeit gilt, neben den schulischen Inhalten, der Vorbereitung auf die bevorstehende Wettkampf-Saison. Klettern bedeutet ihm alles. Mit seinem Umzug nach Innsbruck und dem Eintritt in die Sportborg richtete er sein Leben darauf aus, ganz oben mit zu klettern. Heute begann das Training in der Kletterhalle früh. Von 7.00 bis 10.30 Uhr trainierte der Pitztaler bereits nach Plan. Anschließend folgten Schulstunden bis 13.30 Uhr und nach einer kurzen Pause ging es wieder zum Training. Es kann 19.00 Uhr oder auch 20.00 Uhr werden bis Louis in seiner Wohnung ein Abendessen kocht. Ein langer Tag, der ihn erfüllt. Louis sagt, dass der Start in Innsbruck – Umzug aus dem „hintersten Pitztal“ in die Landeshauptstadt Tirols, das wohnen allein, ohne seine Familie – nicht ganz leicht war. „Es war eine Umstellung und anfangs hatte ich es teils schwer.“ Mittlerweile hat er sich an das sportliche Leben in Innsbruck gewöhnt und besucht seine Eltern so oft es der Trainingsplan zulässt.
Das Pitztal hat ihn geprägt. „Ich bin immer schon geklettert. Solang ich denken kann. Als kleines Kind bin ich daheim auf alles geklettert, was sich anbot. Zum Beispiel auf den Ofen bei uns in der Stube“, erzählt Louis. „Mein Vater ist Bergführer. Wir waren viel draußen unterwegs, das war ganz selbstverständlich.“ Louis erinnert sich an eine Zeit zwischen seinem sechsten und elften Lebensjahr, in der er auf das Skifahren konzentriert war. „In diesen etwa sechs Jahren bin ich kaum geklettert. Da war anderes spannender“, sagt das Ausnahme-Talent. In dieser Zeit stieg Louis mit seinem Vater und einem guten Kollegen auf seinen ersten Skitouren-Dreitausender. Damals war er acht Jahre alt. Louis erinnert sich: „Ich hatte zu Weihnachten meine erste Skitourenausrüstung bekommen. An einem Hang hinter dem Haus probierte ich diese aus und stieg mehrmals zu einer abgelegenen Hütte weiter oben auf, um kurz darauf wieder hinunter zu fahren.“
Im Spätwinter wollte sein Vater mit einem Freund auf die Wildspitze (3.768m) gehen. Die Bedingungen waren gut und Louis wollte unbedingt mit den beiden auf die Bergtour. Louis ist schon immer mehr draußen am Berg unterwegs als ein Großteil seiner Wettkampf-Kollegen. Er braucht diese „Auszeiten“, um den Kopf frei zu kriegen. Daher geht er auch heute noch im Winter die ein oder andere Skitour. Allerdings steht diese Disziplin nicht im Fokus. Das Kletter-Training würde dafür ohnehin wenig Raum und Zeit lassen. „Ein ganz besonderer Moment für mich war, auf dem Gipfel der Wildspitze zu stehen. Die letzten Höhenmeter bis zum Gipfel sind zu klettern. Mit den Skiern auf dem Rücken in Schnee und Eis – da hatte ich schon etwas Angst damals. Das war nicht so leicht. Am Gipfel angekommen, war ich glücklich“, erinnert sich Louis an die Skitour als Achtjähriger.
Ob es beim Aufstieg Momente gab, in denen er gerne umgedreht wäre? „Nein. Ich wollte ja mit auf die Wildspitze und es war ganz klar, dass wir dort hoch gehen. Wenn ich etwas langsamer wurde, verlangsamte auch mein Vater sein Tempo. Aber ans Umdrehen dachten wir nicht“, sagt Louis. Für den Sportborgler gehören Aufstieg und Abfahrt bei einer Skitour untrennbar zusammen. Er mag beides gleichermaßen und erinnert sich an seinen ersten Winter-Dreitausender sehr gern zurück.
Im Rahmen des SALEWA3000-Projekts möchte Louis in diesem Winter nochmals auf die Wildspitze gehen. Vielleicht wieder mit seinem Vater. Soweit steht die Planung noch nicht. Jetzt erstmal, in der Off-Season, soll er sich laut seinen Trainern insbesondere auf seine Fußkoordination konzentrieren. Dazu übt er u.a. mit einem Skateboard auf dem Teppich in seiner Wohnung.
„Das ist etwas Neues für mich. Ich muss aufpassen, dass ich mich dabei nicht noch ganz blöd verletze. Daher bleibe ich erstmal auf dem Teppich“, so Louis.
Abheben und ganz vorne mit dabei sein möchte er dann sobald die Wettkampf-Saison startet. Was nach der Schule kommt? „Auf jeden Fall weiter klettern. Vielleicht ein Studium. Vielleicht Wirtschaft. Das weiß ich noch nicht genau“, sagt Louis.