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ELIA LAZZARI

Ein Eisabenteuer in den Apenninen

#SALEWAFACES

Die ersten Tage des Jahres 2020
Wir sind in der kalten Jahreszeit, auch wenn man angesichts der geringen Schneefälle in diesem Jahr wohl eher von einem „verlängerten Herbst“ als von einem echten Winter sprechen muss. Der Corno alle Scale ist der interessanteste Berg in meiner Nähe; ich kann ihn in etwa anderthalb Stunden mit dem Auto erreichen. Ich kenne ihn sehr gut und könnte ihn fast als meinen „Hausberg“ bezeichnen.
Das im Apennin gelegene Massiv zeichnet sich durch eine vielseitige Umwelt und eine interessante geologische Beschaffenheit aus, die zu jeder Jahreszeit starke Emotionen versprechen. Es handelt sich um einen grasbewachsenen Berg mit mehreren Felsvorsprüngen verschiedener Gesteinsschichten. Auf der nordöstlichen Seite fällt der Corno alle Scale steil in ein geschlossenes Tal ab – und zwar über markante Couloirs mit einem Höhenunterschied von 100 bis 400 Metern. Aufgrund seiner Lage ist dieses Tal von der übrigen Landschaft komplett abgeschnitten und wird daher auch „Tal der Stille“ genannt. Obwohl es nicht besonders groß und zwischen Felsen und grasbewachsenen Anhöhen eingeschlossen ist, vermittelt es einem sofort das Gefühl, allein inmitten der Natur und fernab jeglicher Zivilisation zu sein. Dies macht es für mich zu einem der magischsten Orte, die ich im Apennin kenne.
Der Corno alle Scale ist perfekt, um dem Alltag in der Stadt zu entfliehen und Abenteuer an der frischen Luft zu erleben.

11. Januar
Schon kurz nach der Rückkehr aus meinen geliebten Dolomiten zieht mich meine große Leidenschaft für Abenteuer und Bergsteigen wieder an die frische Luft und in die Berge. Ich entschließe mich, einen Ausflug in die eisige Bergwelt unweit meiner Heimat zu unternehmen.
Nachdem ich die Ausrüstung ins Auto geladen habe, mache ich mich auf den Weg zum Fuß des Corno alle Scale. Der zwar zugefrorene, aber von einem völlig schneefreien Wald umgebene See ist ein trauriger Anblick ... Ich steige durch den Buchenwald auf und erreiche nach kurzer Zeit das berühmte Tal der Stille, das trotz des spärlichen Schnees mein Herz höher schlagen lässt. Es ist ein bisschen kühl: Obwohl die Sonne scheint, liegt die Temperatur unter null. Ich genieße ein paar Minuten lang den Anblick des Tals und betrachte die Couloirs genauer, die ich ein wenig später erklimmen werde. Ich entscheide mich, in einem der ersten Couloirs aufzusteigen, das zwar steil zu sein scheint, aber laut Karte keine extremen Steigungen aufweist. Beim Aufstieg in vereisten Couloirs ist immer besondere Vorsicht geboten, und da ich auf mich allein gestellt bin, muss ich die Schwierigkeiten besonders gründlich abwägen. Nachdem ich endlich das Ende des Graslands erreicht habe, setze ich mich neben die feste Eiszunge unten am Couloir, um mich auf den Aufstieg vorzubereiten. Steigeisen an die Füße, Eispickel ans Handgelenk, Helm auf den Kopf und den Rucksack auf die Schultern! Zunächst ist die Rinne nicht allzu steil, der Pickel dient mir lediglich als Stütze, und das Eis ist großartig. Ich liebe das Geräusch der Steigeisen, wenn sie die glatte Oberfläche des Eises durchbohren. Es ist ein Klang, der uns Winterfans fast süchtig macht.
Während ich weiter aufsteige, wird mir klar, wie aufregend die Landschaft um mich herum ist – auch wenn man sie nicht wirklich als winterlich bezeichnen kann. Daher beschließe ich, eine Pause zu machen und ein paar Fotos zu schießen, indem ich mich an einem Felshaken sichere, den jemand dort zurückgelassen hat. Kurz danach klettere ich weiter und erreiche eine Engstelle zwischen zwei Felswänden. Ich bemerke, wie trügerisch steil der Hang ist, an dem ich mich befinde. Wenn ich hinter mich blicke, wirkt das Gefälle wie immer viel steiler, als es mir beim Aufstieg erschien. Um jetzt kehrtzumachen, müsste ich mich abseilen, um einigermaßen sicher wieder nach unten zu gelangen. Nachdem ich diesen großen Raum zwischen hohen Felswänden passiert habe, erreiche ich einen Engpass mit einer kleinen Spalte, die ich vorsichtig erklimme. Dort bietet sich mir eine großartige Sicht auf das obere Ende des Couloirs, und mit letzter, extremer Anstrengung erreiche ich mein Ziel.
Sobald ich den Fuß auf den Gipfel setze und sehe, was ich gerade geschafft habe, durchströmt mich reines Glück. Ich bin allein und fühle mich wie ein echter, stolzer Highlander. Oben weht der Wind so stark, dass ich mich kaum auf den Beinen halten kann und gezwungen bin, einen weniger exponierten Hang mit einer weniger schönen Sicht hinunterzusteigen. Als ich wieder bei meinem Auto ankomme, denke ich darüber nach, wie viele Emotionen selbst ein so kleiner und wenig bekannter Berg uns schenken kann. Die Gegend ist nur wenig besucht und von der Zivilisation abgeschnitten, doch genau das macht den Corno alle Scale zu einem wunderschönen Abenteuerspielplatz – wie gemacht für Menschen wie mich, die die Techniken des Winterbergsteigens üben wollen, sowie für all jene, die ihren Horizont durch neue Erfahrungen erweitern möchten.

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