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Mit den Öffis zum Berg? – „Da ist noch Luft nach oben“

#HÜTTENPRAKTIKANT

Wer hat schon das Glück und startet alpine Touren direkt vor der Haustür?

Nur wenige Bergsportler*innen setzen den Fuß emissionsfrei vor die Tür und stehen dann bereits am Ausgangspunkt ihrer ersehnten Wanderung. Für die allermeisten gilt zunächst, die Anreise zum Berg zu meistern. In vielen Regionen Österreichs ist dies zwar nicht kräfte- dafür aber äußerst nervenraubend. „87 % der Bergsportler*innen fahren primär mit dem eigenen PKW in die Berge“, sagt Irene Welebil, Mitarbeiterin des Österreichischen Alpenvereins in der Abteilung Raumplanung und Naturschutz. Laut einer Umfrage des Magazins Bergauf nutzen lediglich 33% manchmal die öffentlichen Verkehrsmittel. „Da gibt es noch Luft nach oben“ findet Welebil. „Schließlich ist die Anreise im Bergsport der Knackpunkt in Bezug auf das CO2-Budget.“
Wer am Wochenende in die Berge will, braucht Nerven, denn mittlerweise hat die Masse die Berge als verlässlichen Rückzugsort im schnelllebigen Alltag erkannt.

Die Bergwelt bietet Mikroabenteuer, Konstanz, intensives Spüren und Erleben, #puremountain. Sie erdet uns digital-getriebenen Menschen auf ehrliche, analoge Art und Weise. Ein guter Grund für viele Outdoorfreunde, die stressige Anfahrt zum Ausgangspunkt (inkl. stressiger Heimfahrt zum Wohnort) gleich wieder zu verdrängen und am nächsten Wochenende aufs Neue ins Auto zu steigen. Gibt es denn keine richtig gute Alternative zum eigenen PKW?
Diese Frage hat sich die Hüttenpraktikantin Verena Helminger schon oft gestellt. Im Rahmen ihres Hüttenpraktikums plante die Gelegenheitsnutzerin der Öffis in der vergangenen Woche eigentlich einen intensiven Selbstversuch zum Thema öffentliche Anreise. Das unbeständige Wetter und der viele Regen machte ihr leider einen Strich durch die Routenplanung. Heute Morgen steigt sie auf den Großvenediger (3.657 m). Und ihr Test auf Tauglichkeit des Verkehrsnetzes für ambitionierte Bergsportler*innen? – Ist verschoben, nicht aufgehoben.

Wo funktioniert es denn in Österreich bisher am besten?
„Das Bundesland, das bei der öffentlichen Anreise in die Berge heraussticht, ist vermutlich Vorarlberg. Dort ist das öffentliche Verkehrsnetz sehr gut ausgebaut und es sind günstige Netzkarten verfügbar, so, wie im angrenzenden Nachbarland, der Schweiz. Ansonsten funktioniert die öffentliche Anreise aus den Städten, die an Verkehrsknotenpunkten liegen ganz gut, da es von dort aus Verbindungen in verschiedene Richtungen gibt“, erklärt die Alpenvereinsmitarbeiterin.
Wohnt man auf dem Land, sind die Verkehrsverbindungen in Richtung Stadt konsequenter ausgebaut als Zug- und Buslinien in die Berge. Oft müsste man also vom Landsitz erst in die Stadt, um dort eine öffentliche Linie mit Gipfeloption zu erwischen. Diese Hürde nehmen die meisten nicht. Dann doch lieber im Stau stehen, egal, wie lange es dauert.

 

Geht Freiheit auch anders?
Zu lange Fahrtdauer, zu hohe Preise, schlechte und fehlende Verbindungen zu den entlegenen Bergregionen, Schwierigkeiten beim Transport von schwerem Gepäck oder die fehlende Unabhängigkeit – dies sind die Hauptgründe der Autofahrer*innen, den Autoschlüssel wieder und wieder umzudrehen, anstatt umzudenken. Dabei könnten Freiheit und Unabhängigkeit auch bedeuten, nicht zum Auto am Ausgangspunkt zurückkehren zu müssen, sondern stattdessen den unverspurten Pulverhang ins Nachbartal zu nehmen und sich dann in guter Gesellschaft von der Busfahrerin nach Hause chauffieren zu lassen. In einigen Hot Spots dauert die Anfahrt mit dem Auto inklusive der mühsamen Parkplatzsuche bereits länger, als wenn der Zug einen zum Ziel schaukelt, während man gemütlich aus dem Fenster schaut und seinen morgendlichen Tee genießt.
Für Irene Welebil liegt die Krux des Ganzen darin, „dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist. Für diejenige*n, die ein eigenes Auto besitzen, gibt’s aus deren Sicht nichts Einfacheres, als es auch zu verwenden – ohne komplizierte Tourenplanung, ohne Abhängigkeit von Fahrplänen und Platzangebot, ohne Unsicherheit der Erreichbarkeit von Anschlussverbindungen, sondern mit (gefühlt) jeglicher erdenklichen Freiheit.“ Genau diese Zielgruppe versucht der Alpenverein zu erreichen, indem er gezielt Aktionen setzt, die aufzeigen sollen, dass Freiheit auch anders geht und dass die öffentliche Anreise auch viele Vorteile bringen kann.

Was unternimmt der Alpenverein, um mehr Bewusstsein zu schaffen?
„Wir zeigen, wie die umweltfreundliche Anreise funktionieren kann, indem wir zum Beispiel Touren vorschlagen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln einfach erreichbar sind. In unserem Tourenportal alpenvereinaktiv.com gibt es auch die Möglichkeit, nach Touren zu filtern, die mit Bus und Bahn zugänglich sind“, erklärt Welebil.
Mehr noch: „Zum autofreien Tag am 22.09. gibt es ein Gewinnspiel für eingesendete Touren mit öffentlicher Anreise. Auf unserer Website haben wir versucht, alle nützlichen Informationen zum Thema, wie Apps, Fahrpläne, Mitfahrbörsen, Carsharing, Tourenportale etc. zusammenzutragen, um den Dschungel an Informationen etwas zu lichten.“
Nächstes Jahr will der Alpenverein mit einem Mitfahrbörse-Portal in die Berge durchstarten.
Ziel aller Maßnahmen ist, der Bergsport-Community zu zeigen, dass die umweltfreundliche Anreise einfach sein kann und es sogar möglich ist, daraus einen Mehrwert zu ziehen. 
Verena Helminger´s Kollege in der Schweiz, Pascal Schumacher, tut dies bereits. Aus seiner Sicht verfügt sein Heimatland über eines der besten Verkehrsnetze weltweit. Daher nutzt er die Öffis oft und gern. Bahn und Bus schenken dem 29-jährigen Walenstädter jene Freiheit in der Tourenplanung, die er sich wünscht. Klar, es braucht etwas mehr Planung. Dafür ist der Spielraum für flexible Entscheidungen größer und das Unterwegssein entspannter. Spontane Mehrtagestouren und Überschreitungen sind möglich, wenn das Auto nicht am Parkplatz wartet.