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Interview mit Tom Rabl

"Kaiser hoch 6": Sechs klassische Kletterrouten in rund 17 Stunden Tageslicht

#SALEWA3000

Fleischbank (2.187 m), Predigtstuhl (2.115 m) und Totenkirchl (2.190 m) sind die berühmtesten Klettergipfel des Wilden Kaiser in Österreich. Ergänzt wird der klangvolle Name Kaiser hoch 6 durch drei weitere Gipfel: Lärchegg (2.123 m), Hintere Goinger Halt (2.217 m) und Ellmauer Halt (2.344 m).
Die klassischen Anstiege im 3. und 4. Schwierigkeitsgrad versprechen geübten Bergsteigern puren Klettergenuss.
Griffiger, steiler Kalk, durchzogen mit Rissen, Verschneidungen und Platten warten auf Bergsteiger und Bergsportlerinnen, die sich einen der Kaiser hoch 6-Gipfel zutrauen. Jede einzelne Route könnte unzählige Geschichten erzählen. Mehr als hundert Jahre liegen die Erstbesteigungen nun zurück. Tom Rabl, staatlich geprüfter Berg- und Schiführer aus Kitzbühel sowie Inhaber der Alpinsportschule Pure Mountain, kennt die sechs markanten Berge aus nächster Nähe. Der 40-jährige Tiroler hat sie bereits mehrmals bestiegen und plant für dieses Jahr, zur Sommersonnenwende um den 20. Juni, eine lange Tagestour. Tom möchte, gemeinsam mit seinem Bergführerkollegen Andi Gastl, alle sechs Berge an einem Tag besteigen. Tom, der auch Ehrenamtlicher Obmann der Sektion Kitzbühel des Tiroler Bergsportführerverbandes ist, sieht diese Tour als „Abenteuer vor der eigenen Haustür“. Wie er auf diese Idee kam, welcher Gipfel ihm besonders gut gefällt und was auf seiner Packliste steht, verrät Tom uns im Gespräch, das wir gerne mit Euch teilen.

Kaiser hoch 6 - Welche Gipfel sind damit gemeint?
Tom:
Bei der Bezeichnung Kaiser hoch 6 geht es vorrangig um die Klettertouren und das Erlebnis beim Klettern. Natürlich führen alle Routen auch auf einen Gipfel. Die sechs Peaks, die Kaiser hoch 6 beinhaltet sind die Hintere Goinger Halt, Fleischbank, Totenkirchl, Predigtstuhl, Ellmauer Halt, Lärchegg. Fleischbank, Totenkirchl und Predigtstuhl sind die bekanntesten Kletterberge im Kaiser. Da kommt man auch nur kletternd hinauf. Am stärksten frequentiert sind aber die Goinger und Ellmauer Halt. Auf die Goinger Halt kommt man auch über den recht einfachen Normalweg und die Ellmauer Halt ist der höchste Gipfel im Kaiser. Lärchegg ist ein ruhiger, aber sehr schöner Gipfel.

Bist Du bereits auf den sechs Gipfeln gewesen?
Tom:
Ja, ich bin in der Gegend aufgewachsen. Kaiser hoch 6 liegt praktisch vor meiner Haustür. Ich war schon mehrmals auf jedem einzelnen Gipfel. Als Bergführer mit Gästen, aber auch hin und wieder privat.

Gibt es einen Berg unter den Sechs, der Dir besonders gut gefällt? Falls ja, warum?
Tom:
Ja, den gibt es. Der Predigtstuhl. Die steilen Felswände versprechen besonders coole Kletterrouten und aufgrund der senkrecht abfallenden Kanten darf man immer wieder tief blicken.

Erinnerst Du Dich, wann Du zum ersten Mal einen der Gipfel erklommen hast?
Tom:
Ich erinnere mich nicht wirklich daran. Aber in meinem Tourenbuch steht der 19.10.1986 und die Goinger Halt. Also war ich wohl mit sechs Jahren dort oben.

Für die diesjährige Sommersonnenwende am 20. Juni hast Du Dir ein besonderes Projekt ausgedacht. Was genau hast Du vor?
Tom:
Gemeinsam mit meinem Bergführer-Kollegen Andi Gastl möchte ich alle sechs Touren unserer Kaiser hoch 6-Routen an einem einzigen Tag klettern.

Das klingt nach einem Abenteuer. Wie realistisch ist es, dass ihr diese Unternehmung erfolgreich durchführen könnt?
Tom:
Ja, ein Abenteuer direkt vor unserer Haustür. Andi und ich kennen die Berge wirklich gut. Sollten die Bedingungen es zulassen, ist es durchaus an einem Tag zu schaffen. An einem langen Tag eben. (Tom lacht). Deswegen haben wir den 20. Juni gewählt.

Wie kamst Du auf diese Idee?
Tom:
Das ist ehrlich gesagt schon eine Weile her. Als wir, also wir Kitzbüheler Bergführer, die Touren für unser Kaiser hoch 6-Angebot ausgearbeitet und die Routen in einer Übersichtsabbildung eingezeichnet haben, ist mir das erste Mal die Idee gekommen, alle Berge an einem Tag zu besteigen. Anfang März kamen dann die Ausgangsbeschränkungen aufgrund von Covid-19. Ich suchte für mich persönlich nach einem „Motivationsprojekt“. So kam die Idee wieder ins Spiel. Zudem sind große Touren im Ausland heuer eher unwahrscheinlich. Der Gedanke, dieses Projekt in diesem Jahr umzusetzen, motivierte mich und Andi war auch gleich überzeugt.

Wie lange wirst Du brauchen? D.h. wann wirst Du starten und wann planst Du zurück zu sein?
Tom:
Der Plan ist bei Sonnenaufgang in die Lärchegg Ostwand, eine klassische Dülfer Tour, einzusteigen und bei Sonnenuntergang über den Kopftörlgrat, einer der schönsten Gratklettereien im Wilden Kaiser, auf der Ellmauer Halt zu sitzen. Das könnte sich ausgehen, wenn wir nicht trödeln. (Tom lacht)

Klingt auch nicht nach einem Tag für Trödeleien. Welche Auf- und Abstiege wählt ihr konkret? Die Normalwege? Kannst Du kurz skizzieren, welche Wege Euch über diese 6 Berge führen werden?
Tom:
Wir starten auf der Nordseite des Wilden Kaisers im Kaiserbachtal. Wie schon gesagt, werden wir über die Ostwand (Dülfer) aufs Lärchegg klettern – die anspruchsvollste Tour kommt also gleich am Anfang. Dann steigen wir über den Normalweg ab und ein kurzer Gegenanstieg führt uns zur Fritz Pflaum Hütte, von der wir durch das Griesner Kar wieder ins Kaiserbachtal absteigen. Von dort erreichen wir, über die Steinerne Rinne, den Einstieg zur Predigtstuhl-Nordkante, über die wir auf den Predigtstuhl klettern. Von dort steigen und seilen wir in die Predigtstuhlscharte ab und klettern über den Nordgrat auf die Hintere Goinger Halt. Von der Hinteren Goinger Halt steigen wir ins Ellmauer Tor ab und klettern über den Herrweg auf die Fleischbank. Von der Fleischbank klettern wir über den Nordgrat ab. Das ist die einzige Tour der Kaiser hoch 6 Touren, die wir bei diesem Projekt im Abstieg bewältigen möchten. Danach steigen wir zum Stripsenjochhaus auf, wo wir uns, wenn alles gut geht, eine kurze Pause gönnen werden. Vom Stripsenjoch klettern wir über den Führerweg aufs Totenkirchl, welches wir überschreiten und über den Südostgrat wieder absteigen werden. Der weitere Weg führt uns dann über die Karlspitze zum Kopftörl. Von dort klettern wir über eine der schönsten Grattouren im Kaiser auf die Ellmauer Halt, dem Ziel unseres kleinen Abenteuers. Absteigen werden wir dann wahrscheinlich über den Gamsängersteig nach Süden zur Gruttenhütte und weiter nach Ellmau.

Wow! Da muss man schon beim Zuhören verschnaufen. Wo liegen die Schlüsselstellen aus Deiner persönlichen Sicht?
Tom:
Die schwierigste Route ist sicher die Ostwand am Lärchegg. Wobei sich alle sechs Touren im klassischen Bergführer-Gelände bewegen. Rein klettertechnisch wird uns die Tour nicht allzu sehr fordern. Die Länge ist die eigentliche Crux.

Am 20. Juni wird der längste Tag des Jahres Euch rund 17 Stunden Helligkeit schenken. Ihr werdet die Zeit brauchen, d.h. 17 Stunden auf und ab in der Wand?
Tom:
Ja genau. Klingt doch motivierend, nicht? (lacht)

Kannst Du abschätzen, wie viele Höhenmeter ihr dabei bewältigen müsst?
Tom:
Um die 4.500 Höhenmeter.

Wie aufwendig ist die Planung?
Tom:
Die Vorbereitungen sind nicht allzu umfassend. Die Kletter-Routen kennen wir recht gut. Es gibt noch ein, vielleicht zwei Abschnitte, die wir noch nicht bis ins Detail planen können. Hauptsächlich geht es dabei darum, wie wir von einem Routen-Ausstieg zum nächsten Einstieg kommen. Das müssen wir demnächst auschecken. Wahrscheinlich werden wir bei den Übergängen und Abstiegen noch den ein oder anderen Gipfel unterwegs „mitnehmen“.

Seit wann gibt es die Bezeichnung Kaiser hoch 6? Wie kam es dazu und was war der Grund für die "klangvolle Zusammenfassung" der sechs Gipfel?
Tom:
Das ist eine längere Geschichte. Ich bin Obmann der Kitzbüheler Bergführer, einem Zusammenschluss von 20 Bergführern aus unserer Gegend. Unser Ziel ist, das Bergsportangebot in unserer schönen Region wieder zu beleben. Neben Wochenprogrammen und vielem mehr wollten wir wieder etwas Augenmerk auf sehr schöne, alte Kletterklassiker im Wilden Kaiser lenken. Die sechs Touren sind eine Auswahl der schönsten, leichten Klassiker auf einige der berühmtesten Kletterberge, an denen immer wieder Klettergeschichte geschrieben wurde. Diese Touren versprechen allesamt coole Bergerlebnisse, die wir als Bergführer auch bergerfahrenen Kletterneulingen ermöglichen können. Den Namen gibt es seit 2018 und er soll ein wenig die Sammler-Leidenschaft wecken und natürlich motivieren. Es gibt dazu auch ein schönes Stempelheft mit vielen Infos. Das ist aus unserer Sicht sehr edel und bewusst im Retro-Stil designed.

Dein Stempelheft dürfte somit schon mehr als voll sein?!
Tom:
So ist es. Ehrlich gesagt habe ich aufgehört zu zählen. (Er lacht).

Du spricht auch von Kletter-Neulingen, für die Kaiser hoch sechs interessant ist. Welcher Schwierigkeitsgrad ist zu bewältigen?
Tom:
Man klettert maximal im Schwierigkeitsgrad 4+.

Sind die Berge hoch frequentiert?
Tom:
Es sind Berge dabei, da kann recht viel los sein. Andere hingegen sind ganz ruhig. Auf 3 der 6 Berge kommt man aber nur kletternd rauf.

Wieviel Material nimmst Du mit in die Wand?
Tom:
So wenig wie möglich, aber so viel wie notwendig. Ich schreibe Euch meine Packliste mal zusammen und schick sie Euch durch. (Das hat Tom dann auch gleich gemacht – die Packliste für sein Projekt findet ihr im Anschluss an dieses Interview)

Ist zwischendrin Zeit für eine gemütliche Brotzeit oder eher Gels und Riegel?
Tom:
Wir werden auf jeden Fall Riegel dabeihaben. Ich bin nicht so der Gel-Fan. Cool wäre eine kurze Einkehr im Stripsenjochhaus (1.577 m) nach der 4. Tour.

Wie müssen die Bedingungen sein, damit Du startest? Oder umgekehrt: Welche äußeren Bedingungen würden Dich davon abhalten, Dein Projekt zu realisieren?
Tom:
Wir werden nur bei gutem Wetter einsteigen, schließlich wollen wir auch einen lässigen Tag genießen. Bei Gewitterwahrscheinlichkeit werden wir definitiv nicht gehen, man ist in diesem Gelände permanent sehr exponiert.

Dann drücken wir beide Daumen, dass das Wetter mitspielt. 17 Stunden Helligkeit, kein Regen und vor allem kein Gewitter – das sei Euch vergönnt. Wir sind gespannt, was Du anschließend berichtest.
Tom:
Das bin ich auch. Danke Euch!

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