Biwak-Grossglockner Biwak-Grossglockner

In Kooperation mit dem Österreichischen Alpenverein

Keine romantischen Ausflugsziele – Die Biwaks in den österreichischen Alpen

#SALEWA3000

Im Rahmen unseres Projekts SALEWA3000 unterstützen wir die Renovierung des baufälligen Glockner-Biwaks, das 1958 errichtet wurde. Wir spenden fünf Euro für jeden Dreitausender, der als bestiegen gilt, an unseren Partner, den Österreichischen Alpenverein. Das Glockner-Biwak kennen wir bereits. Aber wie viele Biwaks gibt es überhaupt in Österreich, wer ist für sie verantwortlich und für wen sind sie ursprünglich errichtet worden? Wir sprechen mit Simon Schöpf, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Alpenvereins, und Niklas Ohnmacht von der Abteilung Hütten & Wege des Alpenvereins.

Wie viele Biwaks gibt es in den österreichischen Alpen?
Niklas Ohnmacht:
Wir kennen in Österreich 19 aktuelle Alpenvereins-Unterkünfte sowie Unterkünfte des Deutschen Alpenvereins, die als Biwak bezeichnet werden. 14 von diesen Biwaks werden von uns, dem Österreichischen Alpenverein, betrieben.

Wann wurde die erste Biwakschachtel errichtet und was war der Auslöser für den Bau der ersten Biwakschachtel in Österreich?
Simon Schöpf:
Die älteste Unterkunft, die wir kennen, mit „Biwak“ im Namen ist die Lalidererwand-Biwakschachtel. Sie wurde 1948 von den Karwendlern errichtet und ist heute nicht mehr im Gebrauch. Diese Biwakschachtel ist allerdings nicht zu verwechseln mit dem Lalidererspitzen-Biwak, das 1971 gebaut wurde. Natürlich gab es bereits lange davor rein aus touristischen, alpinistischen Zwecken errichtete biwakartige Unterkünfte: Im Jahr 1785 und 1786 errichtete Horace-Bénédict de Saussure zwei notdürftige Unterkünfte in Vorbereitung der Montblanc-Ersteigung. Im Zuge der Besteigung des Großglockners ließ Fürstbischof Salm zwei Unterkünfte, die Hohenwarte (eröffnet 1800) und die Adlersruhe (eröffnet 1801), errichten. Ein weiteres Beispiel aus dem Jahr 1843 ist die Notunterkunft am Dachstein.
Die von Friedrich Simony erbaute Biwakschachtel ging als „Hôtel Simony“ in die Geschichte ein.

Wer trägt die Verantwortung für den Erhalt, die Instandsetzung und Renovierungen der Biwakschachteln?
Simon Schöpf:
In der Regel alpine Vereine und Organisationen. Manchmal auch andere Vereine wie z.B. die Bergrettung. Die Bergrettung und alpine Sektionen arbeiten bei solchen Projekten Hand in Hand.

Wer entscheidet darüber, an welchen Standorten Biwakschachteln errichtet werden und an welchen eher nicht?
Niklas Ohnmacht:
Im Idealfall entscheiden lokale Bergführer, die sich in der Gegend sehr gut auskennen. Professionelles Führungspersonal, das u.a. weiß, wo im Winter viel Schnee ist, wo eher weniger Schnee liegt, wo es lawinengefährdet ist und welche Stellen steinschlaggefährdet sind. Durch Steinschlag würden Biwaks in Leichtbauweise zerstört. Bevor ein Biwak errichtet wird, müssen auch Kenntnisse über die Fels- und Steinqualität vorliegen. Generell stellt ein Biwak große Anforderungen an die Bauweise. Es muss zum einen extremen Bedingungen standhalten, andererseits aber auch ganz leicht sein für die Errichtung an einem hoch gelegenen Standort.
Biwaks entstehen aufgrund von mehrfachen Bedarfs-Situationen, die sich historisch ergeben und entwickeln. Wichtig ist, dass Biwaks als Sicherheitseinrichtungen gelten, die natürlich nicht permanent genutzt werden dürfen. Grundsätzlich können sie mit geringem Aufwand wieder abgebaut werden, sollte der Bedarf nicht mehr vorhanden sein. Zum Beispiel aufgrund von Veränderungen der äußeren Umstände, wie z.B. Gletscherschwund.

Simon Schöpf: Uns ist wichtig, dass Biwaks die sensiblen, hochalpinen Regionen nicht belasten. Polybiwaks stehen auf sechs Stahlstangen. Diese können jederzeit vollständig beseitigt werden. Für uns ist das ein minimaler Eingriff in die Natur. So hinterlassen entfernte Biwaks keine Spuren am Berg.

Was sind schlagkräftige Voraussetzungen für den Bau einer Biwakschachtel?
Niklas Ohmacht:
Uns ist ganz wichtig zu betonen, dass Biwakschachteln keine Ausflugsziele sind. Eine Voraussetzung für die Errichtung eines Biwaks ist, dass im Umkreis von zwei bis vier Stunden keine Möglichkeit besteht, einen anderen Unterschlupf zu finden.
Biwaks sind definitiv Notunterkünfte. Sie werden generell in wenig frequentierten Gegenden errichtet. Regionen, in denen Bergsteiger z.B. von Extremwettersituationen überrascht werden könnten und die geographisch weit von helfenden Stützpunkten entfernt liegen. Zudem sind einige alpine Touren schlicht nicht an einem Tag zu realisieren. Manche Touren machen eine Zwischenstation notwendig. Hier haben die Biwaks eine alpinistische Bedeutung.

Lässt sich sagen, wie viele Menschen jährlich in Biwakschachteln nächtigen – z.B. in der Biwakschachtel am Großglockner?
Simon Schöpf:
Das können wir leider nicht beantworten. Alle Biwaks sind selbstverständlich unversperrt. Es liegen zwar Hüttenbücher aus, in denen sich Bergsteiger eintragen können. Aber das machen sicherlich nicht alle.

Wie vielen Bergsteigern sollte eine moderne Biwakschachtel Platz bieten?
Niklas Ohnmacht:
Dazu gibt es keine Vorgaben hinsichtlich der Kapazitäten, die zur Verfügung stehen sollten. Jede Notunterkunft wird jeweils an die Umgebung angepasst. Man kann aber sagen, dass Biwaks im Durchschnitt auf ca. sechs Personen ausgerichtet sind. Dies ist z.B. bei dem alten Glockner Biwak der Fall. Die dortigen Betten sind etwa einen Meter breit. Der Komfort ändert sich je nach Belegung – zu sechst grenzt es an Luxus. Sind es mehr Schutzsuchende, teilt man sich die Betten zu zweit oder schläft auch mal auf dem Boden. Es gibt dort oben keine Garantie auf einen komfortablen Schlafplatz.
In der Notsituation kann man auch mal eine Nacht im Sitzen verbringen. Die Hauptsache ist, dass man geschützt ist vor den Naturgewalten und der Kälte. Biwaks sind Mittel zum Zweck und definitiv keine romantischen Ausflugsziele.

Hat sich durch die Klimaveränderung und den Gletscherschwund etwas an den Standorten für Biwakschachteln geändert? D.h. machen Biwakschachteln, die früher, als noch mehr Eis vorhanden war, Sinn gemacht haben, heute teils weniger Sinn? (Beispiel Großglockner/ Palavicinirinne)
Niklas Ohnmacht:
Ja, Standortbedingungen können sich natürlich auch verändern. In Nepal gibt es zum Beispiel das Ende 2019 errichtete „David-Lama-Biwak“, das mit Tiroler Unterstützung aufgestellt wurde. Es ist das erste Hochgebirgsbiwak in Nepal. Der Standort war vor einigen Jahren noch flächendeckend vergletschert. Durch die Klimaerwärmung ist der Gletscher massiv zurückgegangen. Die Konsequenz ist, dass sich Felsstufen aufgetan haben. Dort wo damals die Sherpas über einen Gletscher aufsteigen konnten, haben sich nun Kletterpassagen ergeben, die bereits einige Bergsteiger und Sherpas zum Absturz gebracht haben. Das 900 Kilogramm schwere David-Lama-Biwak bietet hier zumindest eine Notunterkunft für die Erste Hilfe.
Manchmal verlieren Biwak-Standorte auch ihre Berechtigung als Notunterkunft, weil im näheren Umfeld Hütten errichtet werden. Das Schiestlhaus in der Hochschwabgruppe zum Beispiel hat die dortige Biwakschachtel überflüssig gemacht.

Welche Kosten stehen für die Renovierung der Biwakschachtel am Großglockner an?
Simon Schöpf:
Das können wir aktuell noch nicht konkret sagen. Es ist auch noch nicht ganz klar, ob das Glockner Biwak saniert oder neu errichtet wird.
Die Gesamtkosten sind auch aufgrund der notwendigen Logistik nicht so einfach einzuschätzen. Wir kennen ein Beispiel in Nepal da hat die ganze Logistik – Hubschrauber-Einsätze auf 5.500 Metern Höhe während der Bauphase und zahlreiche Träger involviert – mehr gekostet als das Biwak an sich.

Niklas Ohnmacht: Biwakschachteln müssen leicht und robust sein. Am Material darf nicht gespart werden, wenn das Biwak 50 Jahre später immer noch stehen soll. Bei dem Bau von Notunterkünften darf man keine Kompromisse eingehen. Wir können die Biwaks schließlich nicht täglich auf ihre Funktionsfähigkeit überprüfen. Mängel an Biwaks können die Schutzsuchenden in Gefahr bringen. Soweit darf es nicht kommen.

Wer entscheidet darüber, ob renoviert wird oder nicht?
Simon Schöpf:
Der normale Vorgang ist, dass die betreuende Alpenvereins-Sektion einen Antrag an den Hauptverein stellt. Der Alpenverein prüft dann, ob und in welcher Höhe Fördermittel zur Verfügung gestellt werden können.

Biwak-„Knigge“ – Wie man sich in der Notunterkunft verhält:

- Biwakschachteln sind keine Ausflugsziele für romantische Nächte am Berg! Als Notunterkunft oder Zwischenstation einer langen Bergtour sind sie für Alpinisten errichtet worden, die sie wirklich brauchen.
- Der Grundsatz: „Verlasse die Biwakschachtel genauso, wie du sie vorgefunden hast.“
- Nimm‘ deinen Müll wieder mit in’s Tal! Und zwar alles. Müllabfuhr fährt hier lange keine vorbei.
- Schließe Türen und Fenster ordentlich! Eine offene Tür kann tausend Mal vom Wind auf- und zugeschlagen werden, bis die nächsten Bergler anreisen.
- Bedenke die Notdurft! Auch WC gibt’s da oben natürlich keines, wenn also die Natur ruft, finde den kollektiven Platz der Erleichterung und benütze genau den.
- Informiere dich: Via Hüttenfinder (alpenverein.at/huetten) lassen sich Angaben & Kontakte zum angestrebten Biwak nachlesen (und ggf. saisonale Belegungs- und Zustiegsverhältnisse erfragen)

 

Photo Credit: Vitto Messi